In 2020 wurde der DA! Art-Award erstmals bundesweit ausgeschrieben. Thema war die Kraft und die Wirkung trügerischer Überzeugungen. Ob Homöopathie, Bachblütentherapie und Lichtfasten, ob Religion oder esoterisches Heilsversprechen: Keine Frage, Pseudomedizin und religiöser Glaube können wirken. Doch immer gilt, was nachweislich auch für Globuli gilt: keine Wirkung über den Placebo-Effekt hinaus! Passend zum Thema konnten wir die Ärztin und Homöopathie-Kritikerin Natalie Grams als Schirmherrin gewinnen. Der Preis war mit insgesamt 7.000,– Euro dotiert.
Die Preisträger
Grußwort der Schirmherrin Natalie Grams
Mir hat es aber geholfen! Für mich ist das aber wahr! Ich glaube fest daran!
Diese Sätze sind Rechtfertigungen für irrationale Überzeugungen jeglicher Art. Sei es die Gewissheit, dass Gebete erhört werden, Weltdeutungen zu unverrückbaren Glaubenssätzen versteinern oder Personenkulte ein Hinterfragen verhindern. Und nicht zuletzt sind da die unerschütterlichen Überzeugungen von Anhängern der Pseudomedizin, die dem »Danach geschehen, deswegen geschehen«-Fehlschluss erliegen.
Das Thema des DA! Art-Awards »… wirkt nicht über den Placeboeffekt hinaus!« will aufzeigen, wie gefährlich die Verquickung oder gar die Verwechslung des Realen mit dem Irrationalen sein kann. Gewünschtes herbeizwingen zu wollen, indem man das Irreale und Unbelegte als Erklärung bemüht, ist zweifellos ein zutiefst menschliches Verhalten. In der Religion äußert es sich im Vertrauen auf göttliche Fügung und Weisung und damit oftmals in der Preisgabe konkreter Handlungsmöglichkeiten. In der Medizin (meinem Fach) zeigt sich Irrationales in der Verweigerung realer Behandlungsoptionen zugunsten des Vertrauens auf nachweislich oft unwirksame Mittel und Methoden. Beiden Fällen wohnt ein Schadenspotenzial für sich selbst und oft auch für andere inne.
In einer Zeit, die über nie da gewesenes Wissen verfügt, sollte es mitmenschliche Pflicht sein, der Irrationalität in all ihren Facetten entgegenzuwirken. Aufklärung über die Möglichkeiten und Chancen des Realen und die Risiken und Gefahren des Irrationalen ist gelebte Humanität. Eine solche Aufklärung will den Menschen – ganz im Sinne Kants – in seiner Mündigkeit stärken. Sie will ihn befähigen, bewusst und informiert, eigene Entscheidungen zu treffen. Sei es in Fragen der Lebensführung, des gesellschaftlich-sozialen Daseins, der Erziehung und – für mich sehr wichtig – im Bereich von Gesundheit und Krankheit. Eben dies ist die Überzeugung, die mich in meiner Aufklärungsarbeit zur Pseudomedizin leitet.
Natürlich »wirkt« so manches auch ohne eigenes spezifisches Potenzial. Es wirkt aufgrund des Placeboeffektes, wegen der eigenen Überzeugung oder der Konditionierung durch bisherige Erfahrung. Letztlich also beruhen die Wirkungen auf erklärbaren Prozessen, rational nachvollziehbar und belegbar. Dieses Rationale ist jedoch dem schnellen, intuitiven Denken nicht unbedingt zugänglich. Und seine Wirkung wird deshalb allerlei Glaubensüberzeugungen zugeschrieben. Etwa einer »geistigen Arzneikraft«, die das rituelle Schütteln beim fast unendlichen Herausverdünnen eines angenommenen Wirkstoffes freisetzen soll. So – ein Beispiel von vielen – die irrationale Annahme der Homöopathie.
Ist das alles ein Thema für die bildende Kunst? Oh ja! Denn die Kunst kann die Aufklärung vorantreiben. Lassen wir sie also auch hier wirken … über den Placeboeffekt hinaus.
Natalie Grams
Die Jury des DA! Art-Award 2020
v.l.n.r.: Dr. Christoph Danelzik-Brüggemann, Kunsthistoriker | Daniela Wakonigg, Autorin | Jacques Tilly, Bildhauer, Karnevalswagenbauer | Prof. Dr. Dieter Birnbacher, Philosoph | Michael Kortländer, Künstler und Leiter der Großen Kunstausstellung NRW Düsseldorf | Franziska Konitzer, Astrophysikerin, Künstlerin