1.134 Künstlerinnen und Künstler hatten sich für den DA! Art-Award 2022 beworben. 99 Werke wurden für die Ausstellung im Stadtmuseum Düsseldorf nominiert. Am 25. September war es so weit: Preisverleihung im Ibach-Saal des Museums. Hier die von der Fachjury prämierten Arbeiten – geordnet nach Kategorien …
Hier finden Sie alle nominierten Werke …
Die Begründungen der Jury
Kategorie 1: Malerei, Grafik, Zeichnung: Wolfgang und Petra Eberhard | Deutscher Wald, 2021
Die Jury hat sich nach eingehender Diskussion für das Werk »Deutscher Wald« von Wolfgang und Petra Eberhardt entschieden. Das Werk greift einen traditionsreichen, mächtigen und immer noch wirksamen Mythos auf, den deutschen Wald. So wurde der Wald in der Zeit der Deutschen Romantik als »Sehnsuchtsort« des deutschen Volkes verstanden und eng mit der deutschen Nation verbunden. Diese nationale Bindung des Waldes wurde u.a. auch von den Nationalsozialisten weitergeführt, noch verstärkt und in ihre Rassenideologie eingefügt. Die Künstler haben es geschafft, den Form-Inhaltsbezug eindrucksvoll umzusetzen. Die von ihnen gewählte, auf die dunkle deutsche Vergangenheit verweisende Frakturschrift für den Begriff »Deutscher Wald« setzt sich mit ihrem Weiß stark von dem dunkelgrünen Untergrund ab und kontrastiert mit den schwarz getönten, auf der Bildfläche verteilten Eichenblättern. Die Bildelemente und ihre kompositionelle Verbindung wirken auf die Betrachterin und den Betrachter bedrohlich und unheilvoll. Das kritische Werk »Deutscher Wald« verweist ganz aktuell auch auf die mythisch grundierten Natur- und Lebensschutz-Vorstellungen einiger Gruppierungen, die einem rational reflektierten Naturbezug entgegenstehen.
Kategorie 2: Plastik, Skulptur, Installation: Nessi Nezilla | Trust, 2022
Formal ist es ein Wandaltar mit einer Haupttafel und zwei beweglichen Flügeln aus schwarz gefärbtem Holz, darauf befestigten verbogenen Metallplatten mit Fronten aus Fotomontagen. Zudem wurde das Werk mit blutigen Farbspritzern und Feuer behandelt, was die Schwere und Düsterheit der Arbeit noch verstärkt. Thematisch bezieht sich das Objekt auf den Mythos des Glaubens und die Macht des Vertrauens, denn »Trust« heißt »Vertrauen«. Im krassen Gegensatz dazu sehen wir auf den Flügel Ted Bundy, ein Inbegriff der Misogynie und des Sadismus und Marc Dutroux, einen Pädokriminellen – beide wie Kardinäle bekleidet. In der Mitte: Charles Manson – der als Massenmörder berühmt wurde – im päpstlichen Gewand. Diese Darstellung spiegelt die katholische Kirche und stellt ihren Glauben infrage. Die Spiegelung funktioniert allerdings auch umgekehrt, da es im sozialen Raum nichts gibt, was ausschließlich für sich selbst steht. Die Jury betrachtet das Werk auch als Anstoß zur Überprüfung der Mythen, denen wir alle durch Massenmedien ausgesetzt sind, wie beispielsweise dem Charisma von Führungspersönlichkeiten oder dem Helter Skelter-Narrativ.
Kategorie 3: Fotografie, Medienkunst: Jürgen Baumann | Die Regensburger Domspatzen, 2013
Die Macht des Mythos hat die Aufklärung über physische, psychische und sexuelle Gewalt in kirchlichen Institutionen lange verhindert. Jürgen Baumanns Fotoserie »Die Regensburger Domspatzen« bringt dies drastisch auf den Punkt, indem er sich ausschließlich auf die Münder der Sänger konzentriert. Symbolisierten Knabenchöre früher die vorgebliche Reinheit und Unschuld des Glaubens, stehen sie heute vermehrt für die Schuld von Kirchenmännern, die sich an Kindern vergangen haben. Dabei agiert Baumann geschickt auf doppeltem Boden: Schein und Sein, Klerus und Eros, Kirchenkantate und Oralsex fließen unvermittelt ineinander – Inkonsistenzen, die nicht nur den Mythos eines deutschen »Elite-Chors« mit 1000-jähriger Geschichte entzaubern, sondern auch den Mythos einer vermeintlich »heiligen« Institution, die sich noch immer als »Hüterin der Moral« aufspielt.
Der Publikumspreis
Den Publikumspreis gewann Dr. Ulrike Hüppeler für ihr Werk “Out of Paradise”. Die Gewinnerin über ihre Arbeit: Der mächtigste Mythos der Menschheit – die Vertreibung aus dem Paradies. Eva naschte vom Baum der Erkenntnis und verführte den arglosen Adam. Vorbei war es mit der Glückseligkeit. Erkenntnis ist des Teufels! Der Mann soll fortan herrschen über die Frau, sie büßt in Gefolgschaft der Eva bis heute. Mit der patriarchalen Auslegung des Paradiesmythos prägt die autoritäre Kirche das gesellschaftliche Denken und das Frauenbild seit Jahrhunderten.
Alle nominierten Künstlerinnen und Künstler
Ettore Albert, Aljoscha, Marie Althöfer, Jürgen Baumann, Patrick Becker, Thomas Behling, Willem Bock, Carsten Borck, Clair Bötschi, Brigitte Braun und Betina Panek (NERZ KG), Walter Breidenbach, Klaus Busch, Laure Catugier, Viktor Cleve, Matthias Dämpfle, Peter Debusi, Angela Dörflein, Barbara Duisberg, Wolfgang Eberhardt, Benjamin Esser, Eva Fabian, Kuesti Fraun, Heinz Frey, Wolfgang Fritz, Jorge Garzon, Corina Gertz, Titus Grall, Martin Grobecker, Petra Groh, Richard Gruber, Heinke Haberland, Dieter Hanf, Ruth Hebler, Ulrich Heemann, Michael Heinrich, Edurne Herrán, Andreij Herzog, Lion Hoffmann, Michael Holtschulte, Hanne Horn, Ivan Horvat, Ulrike Hüppeler, Tommy Kny, Rona Kobel, Karolina Kos, Wolfgang Kühn, Dorthe Landschulz, Michael Lapuks, Simi Larisch, Lotte Lindner, Marion Linke, Ariane Litmeyer, Heidrun MalComes, Albert Markert, Piero Masztalerz, Karl-Heinz Mauermann, McLOVLA, Peter Menne, Nadia Menze, Denis Metz, Michel Meyer, Sarai Meyron, Adina Mocanu, Müller & Sohn, Andreas Neuffer, Thomas Neumaier, Oliver Neumann, Simone Neumann-Salva, Nessi Nezilla, Sylvia Nitsche, Daniel Noll, Oliver Ottitsch, Enrico Pietracci, Usch Quednau, Gerda Raichle, Johanna Reckers, Caspar Reuter, Christian Ristau, Eugen Rother, Thure Röttger, Angela Schäfer, Michael Scheibenreiter, Bettina Schipping, David Schröder, Oliver Schwarz, Stefan Seffrin, Gerhard Silber, Wolfgang Stegherr, Manuel Talarico, Ralf Tekaat, Thomas Volkmann, Ruth Weizel, Emil Wesemann, Christoph Wetzel (REIZ), Miriam Wurster, Elke Zaksek, Karla Zipfel, Meike Zopf, Roderich Zupnickl
Hier finden Sie alle nominierten Werke …
Der DA! Art-Award
Düsseldorfs erster säkularer Kunstpreis – der DA! Art-Award – wird im Zwei-Jahres-Turnus zu einem jeweils wechselnden Thema vom Düsseldorfer Aufklärungsdienst ausgelobt. Er will Künstlerinnen und Künstler inspirieren, sich kritisch mit Religion und Irrationalismus auseinanderzusetzen. Vor zwei Jahren lautete das Thema »Wirkt nicht über den Placebo-Effekt hinaus …«. In 2022 geht es um die »Macht des Mythos« und – dank unserer Sponsoren – um Preisgelder von insgesamt 10.000 €. Vergeben werden sie in drei Kategorien – plus Publikumspreis.
Themenimpuls
Wir werden in eine Welt der Zeichen, Symbole und der Bedeutungen geboren. Diese strukturieren unsere Erfahrungen. Sie sind unser Zugang zur Welt. Eine sehr spezielle Verdichtung all dieser Elemente erfolgt im Mythos. Der meint so viel wie Legende, Mär oder – in seiner originären Lesart – Erzählung. Diese Erzählungen begegnen uns in vielgestaltiger Form. Ihnen allen gemein ist, dass sie Deutungshoheit über Welt und Weltereignisse beanspruchen. Und sie ihr vermeintliches Wissen wirkmächtig durch blumige Narrative vermitteln – nicht durch überprüfbare Fakten. Sinnstiftung qua Glauben heißt hier die oberste Direktive – ein Bollwerk gegen Rationalität und Aufklärung …
Grußwort von Schirmherr Mark Benecke

(c) Foto: Jara Reker
Eine gute Geschichte ist unschlagbar. Wenn der tote Papst Johannes Paul II. wegen seines sich nicht zersetzten Blutes schneller heiliggesprochen wird, prüft niemand, ob nicht jedes Blut in einem luftdichten Beutel oder Röhrchen mit Bluterhaltungsmittel sich nicht zersetzt. Dass Gottes Liebe mächtiger als Fäulnis ist und dem Tod so ein Schnippchen schlägt, ist aber einfach cooler als chemische Tatsachen. Vor allem, wenn jemand diesen nun bewiesen mächtigen Gott gut findet und an seinen Honigtropfen saugen darf. Dass die Grundannahme nicht stimmt, spielt naturgemäß keine Rolle.
Während des Covid-19-Irrsinns untersuchten wir in unserem Labor massenhaft angebliche Lebewesen im Patient:innen-Blut, in deren Nasenschleim und auf Test-Stäbchen. Auf den Stäbchen (zum Beispiel) waren es Textil-Fasern – unter dem Mikroskop deutlich zu erkennen. Diese bewegten sich wegen der Abstoßungskräfte tatsächlich manchmal ein wenig hin und her. Die Auftraggeber:innen blieben dabei, dass hier etwas nicht stimmen konnte …
Warum ein Kunstpreis?
Wir denken, dass Kunst (neben Wissenschaft und Philosophie) eine essenzielle Facette menschlicher Schöpferkraft ist, dass sie Sinn stiftend und auf poetischer Ebene inspirierend und aufklärend zu wirken vermag. Sicher, unsere Themenstellung – »Die Macht des Mythos« – ist eine Herausforderung. Umso gespannter sind wir auf die Ergebnisse …
Teilnahmebedingungen in aller Kürze
Die Ausschreibung richtet sich an Künstlerinnen und Künstler, die in der Bundesrepublik leben und arbeiten. Zugelassen sind Arbeiten aus den nachstehend genannten Kategorien, die sich explizit mit dem annoncierten Thema »Die Macht des Mythos« beschäftigen. In jeder Kategorie wird jeweils ein Preis vergeben. Hinzu kommt der Publikumspreis. Künstlerinnen und Künstler können sich mit einer Arbeit bewerben.
Kategorie 1: Malerei, Grafik und Zeichnung |
Preisgeld: 3.000,– € |
Kategorie 2: Plastik, Skulptur und Installation |
Preisgeld: 3.000,– € |
Kategorie 3: Fotografie und Medienkunst |
Preisgeld: 3.000,– € |
Publikumspreis | Preisgeld: 1.000,– € |
Bewerbungsschluss
Sonntag, 24.07.2022